Schon vor vielen Wochen habe ich irgendwo aufgeschnappt, dass Vogelgesang das Wachstum von Bäumen fördern soll. Um darüber zu schreiben, begann ich mit der Recherche im Netz und kam schnell auf Seiten, hinter denen immer der selbe Autor Christian Dittrich-Opitz steckt. Dort klingt alles sehr einleuchtend, die Aussagen sind scheinbar mit Quellen belegt, löblicherweise setzt sich Opitz auch für die Ganzjahresfütterung der bedrohten Vogelwelt ein.
Doch wenn man etwas tiefer nachforscht, ergibt sich ein anderes Bild.
„Sonic Bloom“: Beschallung mit künstlichen Tönen
Der als Quelle genannte Dan Carlson hat in den 1960ern gar nicht den Vogelgesang erforscht, sondern die Methode „Sonic Bloom“ entwickelt, bei der das Pflanzenwachstum dadurch angeregt werden soll, dass die Pflanzen zunächst mit einer Nährlösung besprüht werden, um sie dann mit Frequenzen im Bereich von 3-5 kHz (künstlich, nicht mit Vogelgesang!) zu beschallen. Sowohl die Nährlösung als auch die „Klangeinheiten“ kann man in den USA bestellen, die Verkaufspreise für die mit 5€-Piezo-Hochtönern bestückten Soundmodule sind exorbitant. Und natürlich wirkt nur die Original-Kombination, vor der Verwendung eines anderen Düngers wird eindringlich gewarnt, die Wirkung der Beschallung könne sich gar umkehren.
Carlson wiederum beruft sich auf die Forschungsarbeiten von Aretas Andrew Saunders. Doch Saunders hatte in den 1930ern lediglich zum Vogelgesang geforscht, gewisse Regelmäßigkeiten herausgefunden und dazu u.a. das Buch „A Guide To Bird Songs“ veröffentlicht. Saunders Arbeit ist also keinesfalls ein Beleg für die Wirksamkeit von Carsons „Sonic Bloom“, sie steht schlicht in keinem Zusammenhang damit.
Wahrsagen statt Wissenschaft
Einen Beleg für die Wirksamkeit von „Sonic Bloom“ konnte ich dann aber doch finden: die in den USA sehr bekannte Wahrsagerin Jeane Dixon sagte schon 25 Jahre vor „Sonic Bloom“ eine weltweite Revolution der Nahrungsmittelproduktion durch die Erfindung eines schwarzen Kastens vorher, zweifelsfrei meinte sie damit die „Klangeinheiten“. Ihre Fähigkeiten sind unstrittig, da sie auch den Terroranschlag bei den olympischen Spielen in München und die Ermordung Kennedys vorhersah. Beides verriet sie allerdings erst hinterher.
Dixon fand sogar Eingang in die Mathematik: Der v.a. im Bereich der Probabilistik und Stochastik arbeitende Mathematiker John Allen Paulos benannte nach ihr den Jeane-Dixon-Effekt: wenn man genügend Vorhersagen macht, treffen zwangsläufig ein paar zu.
Fazit 1:
Man sollte auch seriös anmutende Artikel hinterfragen und genannte Quellen überprüfen, denn wenn genau diese Quellen nicht das behauptete belegen, also eben schlicht keine Quellen sind, fällt das Kartenhaus in sich zusammen.
Fazit 2:
Es kann sein, dass Vogelgesang das Wachstum fördert, aber mir ist dafür bisher keine Forschungsarbeit bekannt. Bitte melden Sie sich, wenn Sie eine kennen.
Wissenschaftlich belegt ist jedoch inzwischen, dass Vogelgesang das Wohlbefinden steigert.
PS: der neben John Allen Paulos einzig seriös arbeitende unter allen oben genannten Protagonist*innen scheint mir Aretas A. Saunders zu sein – er hat nur leider gar nicht zum eigentlichen Thema geforscht. Mich würde sein Buch sehr interessieren, hat das jemand und kann es mir zum Lesen ausleihen?
Ekkehard Mantel