Nach der Blockade des Berliner Flughafens BER am 24.11.22 durch Aktivist*innen der „Letzten Generation“ äußerte sich Cem Özdemir am darauffolgenden Tag wie folgt:
„Ist es wirklich hilfreich, dass wir über Flughäfen und Blockaden diskutieren, oder wäre es nicht besser, wenn wir über Klimaschutz diskutieren?“
Herr Özdemir offenbart damit, dass er weder weiß, worum es den Aktivist*innen geht, noch was die Stunde geschlagen hat. Um die Klimakatastrophe wenigstens abzumildern, muss dringend gehandelt und nicht noch mehr geredet werden.
Dabei sind die Forderungen der „Letzten Generation“ äußerst moderat und ließen sich schnell umsetzen: Ein Tempolimit von 100 / 80 / 30 wäre ab morgen machbar. Die zweite Forderung, das 9 Euro-Ticket, wäre zeitnah umsetzbar. Beides würde zu einer spürbaren Reduktion des CO2-Ausstoßes führen und nebenbei die Lebensqualität steigern.
Aber Herr Özdemir will offensichtlich lieber nur diskutieren, anstatt endlich zu handeln. Diese Einstellung demonstriert er auch in seinem Resort.
Nach vollmundigen Ankündigungen zum Artenschutz, zu mehr Tierwohl und zur Reduktion des Fleischkonsums zu Beginn seiner Amtszeit kommt aus seinem Haus zum Januar 2023 – also nach über einem Jahr – gerade einmal eine Tierhaltungskennzeichnung, und das auch nur für Schweine. Bei dieser geht es lediglich um Platz, Einstreu und Auslauf. Futtermittel? Antibiotikaeinsatz? Qualzucht? Transportwege? Schlachtung? Alles keine Themen mehr für Herrn Özdemir.
Zudem wird die Verantwortung mit diesem Label auf die Verbraucher*innen übertragen. foodwatch nennt dies ein staatliches Täuschungslabel und führt in einer Pressemitteilung vom 13.4.22 weiter aus, dass Herr Özdemir als Minister für Tierschutz dazu verpflichtet ist, für die Umsetzung des Tierschutzgesetzes Sorge zu tragen.
Aber Herr Özdemir will wohl weiterhin lieber nur diskutieren, anstatt endlich zu handeln, scharfe Kriterien festzulegen und einen verbindlichen Fahrplan zum schnellen Ausstieg aus der Massentierhaltung vorzulegen.
Ach ja, einmal hat er in seiner Amtszeit dann doch ganz schnell gehandelt: Als Reaktion auf den Ukraine-Krieg hat er Flächen, die für den Artenschutz vorgesehen waren, 2023 und 2024 für den Getreideanbau freigegeben. So beschleunigt Herr Özdemir das Artensterben noch, ohne dass daraus – außer für ein paar Großbauern – ein spürbarer Nutzen entsteht. Ganz im Gegenteil, die Ertragsmenge wird sich sogar verringern, weil die Böden dort, wo in Deutschland konventionell angebaut wird, schon mehr oder weniger erschöpft sind. Eine gesetzliche Förderung des Bioanbaus, das überfällige Verbot von Glyphosat und Neonikotinoiden, die Einschränkung des Futtermittelanbaus und v.a. ein Verbot des unsinnigen Agrosprits hätten für die Ernährungssicherheit einen vielfach größeren Nutzen.
Aber dafür müsste sich der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft ja gegen die Agrarlobby durchsetzen. Doch das ist sein Ding nicht, er diskutiert lieber nur.
Einen Vorschlag zur Güte habe ich noch: wenn er so gerne diskutiert, könnte er doch das Gespräch mit seinem Kollegen Dr. Volker Wissing suchen. Auch der ist ja eher für die Produktion heißer Luft als für Handeln bekannt, aber als Bundesminister für Verkehr ist er zuständig für die Umsetzung der Forderungen der „Letzten Generation“.
Als Diskussionsgrundlage hier zwei Vorschläge von mir:
Ein Tempolimit von 100 / 80 / 30 wäre ab morgen machbar. Die Umsetzung würde nicht einmal etwas kosten, denn die von Herrn Dr. Wissing als Ausrede vorgeschobenen fehlenden Schilder braucht es für deutschlandweit geltende Tempovorschriften gar nicht, es bedarf nur einer Verordnung bzw. der Änderung der StVO.
Wenn man sich vom Fetisch „9“ verabschiedet, könnte man statt des für viele unbezahlbaren 49 Euro-Tickets ein 20 Euro-Ticket einführen. Wenn man dieses dann à la GEZ für alle verpflichtend macht, wären nicht mehr Zuschüsse als für das 49 Euro-Ticket nötig.
Ekkehard Mantel
Links:
Appell der Albert Schweizer Stiftung an Cem Özdemir